FRIEDENSkunst
Eine friedenspädagogische Weiterbildung für Lehrerfortbildner
Von August 2016 bis Februar 2017 fand in Ayacucho, Peru, eine friedenspädagogische Weiterbildung für Lehrerfortbildner statt. Ayacucho ist eine Region, die auf eine sehr gewalttägige Geschichte zurück blickt: Sie war das Zentrum eines bewaffneten Konflikts zwischen einer revolutionären Bürgerbewegung namens Sendero Luminoso (spa.: der leuchtende Pfad) auf der einen, und den bewaffneten Streitkräften und der Polizei des peruanischen Staates auf der anderen Seite. Dieser bewaffnete Konflikt hat fast 70.000 Todesopfer gefordert und die Mehrzahl der Lehrkräfte in der Region Ayacucho wurden während dieser Zeit überwacht, verfolgt, gefoltert und viele auch ermordet. Eine Aufarbeitung der grausamen Geschichte hat im pädagogischen Bereich – trotz einschlägiger Empfehlungen einer einberufenen Wahrheitskommission – bis heute kaum stattgefunden. Dieser Problemlage stellte sich das Projekt FRIEDENSkunst, in dem im Rahmen des Projekts Lehrerfortbildner befähigt wurden, friedenspädagogische Elemente in ihre tägliche Arbeit mit angehenden Kunstlehrern und Lehrerinnen zu integrieren. Zusätzlich wurde auch das offizielle Curriculum der Hochschule vor Ort so ergänzt, dass nun friedenspädagogische Themen einen zentralen Platz einnehmen – zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. Durch die Fortbildung von Dozenten der Lehrerausbildung kann mittelfristig eine sehr große Zahl an Menschen von dem Projekt profitieren, wodurch es das Potential hat, einen dringend erforderlichen Beitrag zur Friedensbildung in der gesamten Region Ayacucho zu leisten.
Projektträger auf deutscher Seite war Freunde ohne Grenzen e.V., Projektpartner auf peruanischer Seite die Kunsthochschule „Escuela Superior de Formación Docente y Artística Pública F. Guamán Poma De Ayala (EPSFA)“.
Näheres zum Projekt: Koordination, Administration, „Zwischenfälle“ und Erfolg
Die Idee für das Projekt war schon im März 2015 geboren, während des ersten internationalen Friedenspädagogischen Kongresses, den Francisco im März 2015 in Ayacucho organisiert hatte. Dort war als Wunsch aus der teilnehmenden Lehrerschaft die Idee einer friedenspädagogischen Fortbildung artikuliert worden. Ein interessierter und geeigneter Partner war mit der ESFA schnell gefunden, und da bereits seit 2014/15 ein guter Kontakt zu dieser Institution bestand, waren die Absprachen direkt und unkompliziert möglich. In der Hoffnung auf einen positiven Bescheid durch BINGO kümmerte sich die ESFA bereits in Peru um administrative Themen, wie die Anerkennung der Fortbildung durch die dortigen Behörden – ein recht aufwändiges Prozedere. Alles verlief wie gewünscht, doch dann kam es kurz vor dem Start plötzlich fast zum Stopp des gesamten Projektes: Die ESFA wurde einer routinemäßigen Wirtschafts-/Steuerprüfung unterzogen, ein Schicksal, dass in Peru – genau wie bei uns auch – jedes Unternehmen/jede Organisation treffen kann, und das mit erheblichem Stress und Aufwand für die Institution verbunden ist, weil auf einmal sämtliche Schriftstücke und Belege längst vergangener Transaktionen gefunden werden müssen. Die ESFA war auf einmal so mit diesen Themen beschäftigt, dass das ganze Projekt kurzfristig daran zu scheitern drohte. Dann setzten sich aber trotz der Schwierigkeiten alle Beteiligten großartig für das Projekt ein, so dass es fast wie geplant realisiert werden konnte.
Die Teilnehmer
25 Dozenten der ESFA nahmen an allen Modulen der Fortbildung teil. Dazu kamen pro Modul etwa 5 bis 8 Dozenten von der ESFA und z.T. auch anderer Hochschulen, die an nur einzelnen Modulen teilnahmen, so dass es pro Modul gut 30 Teilnehmende waren. Wichtig für die Nachhaltigkeit des Projektes war es, dass unter den Teilnehmenden die komplette Leitung der Institution war, die sich einer konsequenten Weiterführung der gesetzten Impulse verpflichtet haben.
Modul I: Die Logik der Gewalt und Ansätze zur Gewalt- und Friedenspädagogik
Ziel des Kurses war die Einführung der theoretischen Konzepte, mit denen während der Weiterbildung gearbeitet werden sollte. Während des Moduls wurden Konzepte über Gewalt und deren Bedeutung in unterschiedlichen Bereichen bearbeitet: persönlich, sozial und politisch. Die Teilnehmer analysierten die Konzepte und verbanden diese nach und nach mit ihrem persönlichen, sozialen und politischen Leben. Daraufhin analysierten wir die Bedeutung von Frieden und die unterschiedlichen Ausprägungen nach einem Konflikt. Die Teilnehmer kamen zu dem Schluss, dass vieles, was sie als Frieden bewertet haben, von Gewalt belastet ist. Außerdem ist ein Teil der Gewalt, die sie erleben, ein Ergebnis misslungenen Friedens. Im letzten Teil wurden Konzepte für Friedenspädagogik entwickelt. Hervorgehoben wurden die Notwendigkeit ein Bildungssystem zu entwickeln, das die gewalttätige Vergangenheit und die Auswirkungen dessen, das diese nie aufgearbeitet wurde, auf die zukünftigen Generationen berücksichtigt. Dies wurde in der Onlinephase mit dem Dozenten behandelt. Die entwickelten Arbeiten während der Präsenz- und Onlinephasen zeigen ein großes Engagement von Seiten der Teilnehmenden, neue Konzepte kennenzulernen, praktische Arbeiten zu entwickeln und dies in ihrer Arbeit als Dozent anzuwenden.
Modul II: Kunst und Erinnerungskultur aus pädagogischer Sicht
Wir können nicht von der Erinnerung sprechen, ohne sie zu verkörpern, sie zu fühlen, ihr innezuwohnen, die Erinnerung durch die Vereinigung Körper-Verstand zu tragen. Dies ist von besonderer Wichtigkeit in einer Region wie Lateinamerika, wo das Erinnern verworren ist und oft aufgeschoben wurde, angesichts der dringenden Notwendigkeit sich rasch nach vorne zu richten.
Während den Präsenzphasen konnten wir vor Ort begreifen, wie, mit wem, aus wem die Gruppe besteht. Individuelle Spiele und Gruppenspiele werden entwickelt, um mit dem Körper und aus ihm heraus zu verstehen: « Meins, deins, unseres (als Individuen) in einem vorbestimmten Raum, umgeben von Erinnerungen von heute und gestern».
Bei einer zweiten Gelegenheit haben wir das Thema, mittels Kurztexten verschiedener Autoren (Künstler, Denker, Philosophen, Poeten oder Erlebnisse künstlerischer Arbeit), überwiegend zeitgenössischen, vertieft. Einige Beispiele sind: Eugenio Barba, Galeano, Yuyachkani und Feldenkrais. Ziel war es, die eigene Suche derjenigen der anderen gegenüberzustellen.
Die Notwendigkeit den Körper und die Gedanken mit den Gewalterlebnissen zu verbinden und durch die Kunst ein Gleichgewicht herzustellen, bildeten die Basis der mit den Teilnehmern gemeinsam entwickelten Arbeit. Daher haben die Ausdrucksformen der Teilnehmer ein grosses Bedürfnis, vielleicht seit langem im Innern eingesperrte Gefühle und Emotionen «rauszulassen», enthüllt. Außerdem ist anzumerken, dass sich zwischen den Teilnehmern eine Atmosphäre der Empathie gebildet hat, die es ermöglichte, sich individuell und kollektiv auszudrücken. Weiter ist es wichtig zu erwähnen, dass es nicht einfach war, dieses Gruppengefühl, die Verbindung der Herzen herzustellen, denn dafür müssen alle und jeder einzelne der Teilnehmer bereit sein, sich über die Lehrer-Schüler oder Lehrer-Kollege oder Lehrer-Institution Beziehung hinaus zu verbinden.
Modul III: Konflikte kreativ transformiert
Der Kurs basierte auf der Feststellung, dass jeder Lernprozess mit anderen, in erster Linie durch den Dialog stattfinden sollte, da das Wissen, welches wir haben, immer durch den oder die andere aufgebaut, wiederaufgebaut und umgesetzt wird. Wir haben die Arbeit mit einem sozio-affektiven Fokus umgesetzt, was die Entwicklung von Lernprozessen anhand von Erlebnissen rund um das was gelernt und gelehrt werden will, beinhaltete. Die Dozenten entwickelten eine Zusammenstellung von persönlichen und kollektiven Gedankengängen, um aus dem Dialog heraus, durch die Stimme von allen, das persönliche Wachstum zu fördern. Dieser Prozess dauerte so lange, bis ein Konzept, eine kontextualisierte Theorie, also ein Wissen, das zur Transformation der Realität der Person in ihrem Kontext, dient, entwickelt wurde. Techniken und Übungen mit spielerischen Ansätzen, sowie solchen des Theaters der Unterdrückten wurden angewendet, um die Theorie und die eigenen Konzepte der Friedenspädagogik mit dialogischen Übungen durch virtuelle Lehrmittel unter die Leute zu bringen.
Modul IV: Friedenspädagogik im Curriculum der ESFA verankern und Friedensprojekte entwickeln
Ziel des Moduls war die Entwicklung von Lehrplänen. Diese wurden von den Teilnehmern in den Präsenzterminen entwickelt und in der Zeit des Fernstudiums verbessert.
Während des Moduls wurden künstlerische Methoden und Konzepte angewandt, die Friedenspädagogik und Erinnerungspädagogik miteinander verbinden. Sie dienen als Hilfsmittel, um die sozialen und persönlichen Konsequenzen der erlebten politischen Gewalt in der Region und im Land zu verstehen und damit umzugehen.
Projektabschluss in Peru
Die Weiterbildung endete am 9. Februar 2017 mit einer Abschlussfeier. Anwesend waren u.a. eine Kongressabgeordnete, Repräsentanten der Lokalregierungen und Professoren der “Escuela de Bellas Artes”. Außerdem nahmen einige Studenten, sowie Kinder und Eltern der Teilnehmer an den Feierlichkeiten teil.
Während der Abschlussfeier wurden von den anwesenden Repräsentanten Reden gehalten. Außerdem gab es verschiedene künstlerische Darbietungen.
Die Veranstaltung endete mit der Überreichung der Diplome und einem anschließenden Zusammenkommen aller zuständigen Personen, um sich über die zukünftige Entwicklung von Projekten sowie andere Wünsche und Notwendigkeiten auszutauschen.
Wir möchten die Gelegenheit nutzen ganz herzlich DANKE für die Unterstützung durch die BINGO Projektförderung zu sagen! Zum einen hat dies ein wichtiges Projekt ermöglicht, und zum anderen macht es auch uns als Verein Mut und bringt und weiter!
Projektstatus: abgeschlossen